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Christo und Jeanne-Claude - 1
29. April 2021

Christo und Jeanne-Claude

 

Nomaden der Kunst

 

Im Vorfeld der Veröffentlichung seines neuen Buches Christo and Jeanne-Claude: In/Out Studio gibt Matthias Koddenberg, ein enger Freund der Künstler, Einblicke in das gemeinsame Heim, Studio und Leben der beiden Künstler.

 
Christo und Jeanne-Claude daheim in ihrem Loft, New York, 1970. Foto: Shunk-Kender
Christo und Jeanne-Claude daheim in ihrem Loft, New York, 1970. Foto: Shunk-Kender
 

Denke ich an Christo und Jeanne-Claude, so denke ich unweigerlich auch an jenes Gebäude, das 56 Jahre lang ihr Zuhause war. An jenes Gebäude in der Howard Street, das untrennbar mit ihrer Kunst und ihrem Leben verbunden ist. An den Geruch, an Jeanne-Claudes Parfüm, das auch nach ihrem Tod aus jeder Pore des Hauses atmete, an die CD von Mozart, die in Endlosschleife lief und jeden Besucher spätestens nach der fünften Wiederholung zur Verzweiflung trieb, an das Knacken der alten, hölzernen Treppe, die Christo und Jeanne-Claude und unzählige Gäste, Freunde und Sammler über all die Jahre wieder und wieder hinauf- und hinabgestiegen sind. "5 Stockwerke! Kein Fahrstuhl!" Wie oft habe ich diese Worte gehört – stets vorgetragen mit einer Mischung aus Stolz, Ergebenheit und einem Funken schelmischer Genugtuung gegenüber all jenen Besuchern, die es gewohnt waren, ansonsten keinen Meter zu Fuß zu gehen. Die "48 Howard Street" umgibt eine Aura, wie sie für mich kein anderes Gebäude besitzt.

Als Christo und Jeanne-Claude 1964 mit der SS France den New Yorker Hafen erreichten, bestand ihr gesamtes Hab und Gut aus zwei Matratzen und einem Rietveld-Stuhl, den Christo als ehrfürchtiger Bewunderer des Designers gegen eines seiner eigenen Werke eingetauscht hatte. Er war, neben den zahlreichen Mäusen, die sich in dem alten, leerstehenden Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert eingerichtet hatten, der erste "Untermieter", der mit Christo und Jeanne-Claude hier einzog. Die zwei Etagen, die sie für je 70 Dollar pro Monat anmieteten, bevor sie später das ganze Haus kauften, dienten zugleich als Wohnung, Studio, Büro, als Schaltzentrale und kreative Keimzelle. Vor allem aber wurden sie zur Heimat für zwei Künstler, die wie Nomaden keine Heimat kannten. Christos Flucht vor dem kommunistischen Regime Bulgariens im Januar 1957 hatte ihn unfreiwillig zu einem Wanderer zwischen den Welten werden lassen. Ein Leben in New York war für Christo die einzig logische Konsequenz. "Es ist eine unbarmherzige Stadt, eine Stadt ohne Wurzeln, und wenn man selbst so entwurzelt ist, dann ist es der einzige Ort, der einem ein realistisches Spiegelbild des Lebens vermittelt."

 
Christo in seim Studio bei der Arbeit an einer Zeichnung zum Projekt "L
Christo in seim Studio bei der Arbeit an einer Zeichnung zum Projekt "L'Arc de Triomphe, Wrapped", New York, 2020. Foto: Anastas Petkov
 

Als Christo im Mai letzten Jahres starb, erging es mir nicht anders als nach dem Tode von Jeanne-Claude: es war weniger der Verlust einer der bedeutendsten und inspirierendsten Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts, der schmerzte, es ist vor allem der Mensch, der mir fehlt, der Mensch, dem ich so viel zu verdanken habe. Christos verschmitztes Lächeln, seine kindliche Naivität, sein aufbrausendes Gemüt. Christo und Jeanne-Claude haben ihre Kunst und ihr Leben, die untrennbar miteinander verbunden waren, kompromisslos gelebt. Bisweilen ging ihre bedingungslose Haltung an die Schmerzgrenze jener, die mit ihnen gearbeitet haben. Doch so egozentrisch sie einerseits waren, ihre Projekte verfolgten einen zutiefst kollektiven Ansatz. Durch seine marxistische Ausbildung glaubte Christo fest an die dialektischen Kräfte der Geschichte und verknüpfte mit allem, was er tat, ein soziales Interesse, indem er ein breites Spektrum an Menschen involvierte: Landwirte, Bauarbeiter, Ingenieure, Anwälte, Politiker… Christo und Jeanne-Claudes Kunst bestand nicht in dem, was das Publikum am Ende zu sehen bekam. Es war der gesamte Prozess, der zählte, der von Bedeutung war. Die Arbeit im Studio. Die Energie und Emotionen, die freigesetzt wurden durch den ständigen Dialog, den Streit, die Diskussionen über ein Projekt, das Für und Wider, die Verhandlungen, die technischen, rechtlichen und politischen Herausforderungen, die Rückschläge, die Erfolge. Es ist das, was man verstehen muss: Christo und Jeanne-Claudes Projekte waren vielleicht weniger Kunst denn Architektur und Städteplanung. Sie existierten nicht, weil ein Politiker, Unternehmer oder Sammler sie beauftragt hätte. Sie existierten als fixe Idee zweier Künstler, die ihnen ihr Leben widmeten, ihr Geld, ihre Zeit und ihre Kraft opferten. Ihre Kunst war keine Illusion, keine Fiktion, keine Abstraktion. Sie war ein einziges großes soziales Experiment. Eine Parabel über gesellschaftliche und politische Zustände. Dabei haben Christo und Jeanne-Claude es stets vermieden, über die Bedeutung ihrer Werke zu sprechen. "Das Projekt entwickelt seine eigene Realität, die weit über meine Vorstellungskraft hinausgeht. Das Projekt provoziert und die Gesellschaft reagiert auf eine Art und Weise, wie sie sonst nur auf den Bau von Brücken, Straßen oder Autobahnen reagiert. Der einzige Unterschied zu unseren Projekten ist, dass diese ganze Energie für ein fantastisches, vollkommen irrationales Vorhaben aufgebracht wird, und das ist der Kern unserer Arbeit." Wenn Christo und Jeanne-Claude je eine Intention verfolgt haben, dann die, das Verständnis der Menschen für die Funktionsweise unserer Gesellschaft und ihres eigenen Lebens zu schärfen, die Menschen dazu zu bringen, über ihre Beziehung zueinander, ihre gewohnten Lebensweisen und ihre Rolle in der Gesellschaft nachzudenken. Letztendlich liegt hierin auch der Grund für die begrenzte Dauer der Projekte. Denn das Kunstwerk selbst hatte für Christo und Jeanne-Claude keinerlei Bedeutung mehr, sobald es einmal seine Wirkung im Hier und Jetzt erfüllt hatte, sobald es das Bewusstsein der Menschen auf die eine oder andere Weise verändert hatte. "Ich glaube, kein Kunstwerk existiert unabhängig von seiner Entstehungszeit, der Zeit, in der der Künstler es schafft, in der die sozialen, politischen und ökonomischen Umstände es bedingen."

Christo und Jeanne-Claude haben ihre temporären Projekte aufgeschlagen wie Nomaden ihre Zelte. Doch auch wenn ihre Kunst vergänglich war, die Spuren ihrer Arbeit werden noch lange zu finden sein. Sie sind für ewig mit den Orten und ihren Geschichten verbunden, können von ihnen nicht mehr separiert werden und leben in den Köpfen der Menschen fort – in denen ihrer Bewunderer ebenso wie in denen ihrer Kritiker.

 
Christo, "L
Christo, "L'Arc de Triomphe, Wrapped (Project for Paris) Place de l'Etoile – Charles de Gaulle". Zeichnung aus dem Jahr 2020 in zwei Teilen. Foto: André Grossmann
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